Die Berliner Metallbaufirma Arens verhilft dem Zweitaktmotor zu einer neuen Perspektive
Ein Stinker wird zum Saubermann
BERLIN. Politisch mag der Trabant ein Revolutionssymbol sein. Technisch aber steht er für das Ende der Zweitakt-Ära, dessen blaue Abgasfahne nicht auf denselben Wendebonus wie die Spreewaldgurke hoffen konnte. Das Brummen moderner Viertakt-Motoren mit ihren besseren Umwelteigenschaften hat seither den so charakteristischen Reng-deng-deng-Sound nur noch in Nischen überleben lassen. Doch auch wenn der Zweitakt-Motor dem Osten Deutschlands nicht allein gehörte, hat er hier tief gewurzelt.
Vor ein paar Tagen stellte eine kleine Firma aus Berlin-Weißensee eine überraschende Eigenentwicklung vor. Der Arens RVI 30 ist ein erstaunliches Projekt. Ab 2013 soll er – leicht und kompakt wie kein anderer – vor allem Freizeitsportboote durch Gewässer schrauben. Gegenüber einem großen Kaufland-Markt betritt man an der Romain-Rolland-Straße 24 in Weißensee ein schmuckloses Industriehof-Ambiente. Männer in Latzhosen, lichtblaue Stahltüren, bröcklige Betonböden, quer geparkte Autos mit teils offener Motorhaube – das Ungewöhnliche gibt sich unauffällig. Harmlos auch der Name: Arens Metallbau. Was der Firma von Holger und Lars Arens (Vater und Sohn) zunächst auch entspricht. Der Zwölf-Mann-Betrieb verdient mit Zäunen bis hin zu Trägern für Solar-Glasfassaden das Täglichbrot. Dass sie eine Motorenentwicklung betreiben, scheint dagegen wahnwitzig. Aber nur solange, bis man Einblick in die Arens-Familiengeschichte bekommt.
Schon in den DDR-60ern frisierte Großvater Rudolf Zweitakter, um damit erfolgreich K-Wagen-Rennen, dem ostdeutschen Pendant zum Gokart, zu bestreiten. In der Schrauber-Materie aufgewachsen, baute Sohn Holger in den 80ern in der eigenen Firma selbst entwickelte Zweitakter für die kleine DDR-Rennboot-Szene. Er wurde selbst zum erfolgreichen Piloten in der Nationalmannschaft, bis er ausgerechnet 1990 schwer verunglückte -was den Motorenbau vorläufig zum Erliegen brachte. Dessen Sohn Lars aber konnte es nicht hindern, sich in Frankreich für den Automobilrennsport ausbilden zu lassen, um wenig später Maschinenbau zu studieren.“Im Rennsport denkst du pausenlos darüber nach, welches Motordetail du noch verbessern könntest, um ein paar Zehntel herauszuholen,“ erklärt Holger Arens die Entstehung der hauseigenen Kompetenzen. „Irgendwann kennst du die Stellschrauben, aber auch ihre Grenzen.“ Zwangsläufig wurde der RVI 30 wieder ein Zweitakter. „Natürlich war da immer der Wunsch, die eigenen Ideen mit den neuen technischen Möglichkeiten auszuloten“, erklärt Lars Arens die um das Jahr 2000 getroffene Entscheidung, den Motorenbau wieder aufleben zu lassen.
Aber sie war nicht nur der Familien- und Wassersporthistorie, sondern auch gründlicher Marktrecherche geschuldet.Europäische Hersteller von Außenbordmotoren, die Zweitakter für den Freizeitwassersport anbieten, gibt es kaum. Meist stammen sie aus Fernost, meist haben sie Viertakter im Programm. Die verbrennen zwar relativ sauber Benzin oder Diesel, sind aber recht aufwendig konstruiert, schwer und nicht selten teuer. Der Arens RVI 30 (30 PS), wie seine Väter ihn nach etlichen Testläufen beschreiben, wiegt samt Getriebe und Schraube nur 50 Kilogramm, kaum die Hälfte vergleichbarer Viertakter. Er soll fast ein Fünftel sparsamer und zugleich deutlich sauberer sein. Wofür Lars Arens unter anderem die selbst entwickelte sehr kleine Kraftstoffeinspritzpumpe und deren elektronische Steuerung verantwortlich macht. Durch die Hochdruckeinspritzung sei die typische Abgasfahne verschwunden, das Motorengeräusch spürbar leiser geworden. Ob auch der Preis des Motors günstig sein wird, bleibt abzuwarten. Die Entwickler hoffen, ab 2013 mit 500 europaweit verkauften Einheiten profitabel zu sein. 2010 konnte die Branche 217 000 Außenborder in Europa absetzen.In dem Projekt stecken 150000 Euro Fördergelder aus dem Topf des Bundeswirtschaftsministeriums. „Dadurch konnten wir die dreijährige Entwicklungszeit durchhalten“, sagt Firmenchef Holger Arens. Das Engagement belegt trotz dämmerndem Elektrozeitalter einen langsamen Imagewandel des Zweitakt-Prinzips. Zunehmend geraten dessen Vorteile wieder in den Fokus. Das wegen der einfacheren Konstruktion geringere Gewicht, nun gepaart mit moderner Steuertechnik, lässt den Ruf vom lauten, schmutzigen Spritfresser langsam verblassen. Holger und Lars Arens hoffen, mit ihrem leichten RVI 30 kleinere Bootsklassen motorisieren zu können, für die die handelsüblichen Außenborder untauglich sind. Ihre Messergebnisse liegen im Trend. So ist der frühere Chef der VW-Motorenentwicklung Peter Hofbauer dabei, den Zweitakter auch im Automobilbau gemeinsam mit dem chinesischen Hersteller Zhongding wieder zu etablieren. Der von seiner amerikanischen Firma Ecomotors entwickelte EM100 D lässt sich mit Diesel, Benzin oder Gas betreiben. Er soll deutlich kleiner und bis um die Hälfte leichter als entsprechende Viertakter sein, sich im Verbrauch um 15 bis 50 Prozent sparsamer erweisen. Was Geldgeber wie Bill Gates oder Sun- Microsystems-Mitbegründer Vinod Khosla bewog, in das Projekt mit einzusteigen.Energiebranche ist interessiert Darüber hinaus bieten sich kleine Zweitakter auch als Reichweitenverlängerer in E-Autos an, die das Nachladen der Batterie oder das Beheizen übernehmen könnten. Dieser Idee kann Professor Christian Beidl vom Institut für Verbrennungskraftmaschinen Darmstadt einiges abgewinnen. „Solche Motoren lassen sich für bestimmte Betriebsbereiche relativ gut optimieren.“ Auch die Energiebranche ist hellhörig geworden. „Wir könnten uns vorstellen, diesen Motor mit Erdgas in kleinen Kraft-Wärmekopplungsanlagen einzusetzen“, sagt Gerhard Schulz vom Ingenieurbüro für Antriebs- und Industrietechnik.
Es scheint absehbar, dass Holger und Lars Arens noch viel unterwegs sein werden. Wie praktisch, dass ihr Motor in eine normale Reisetasche passt.
Foto: Holger und Lars Arens (l.) neben ihrer Eigenentwicklung: zwei Prototypen ihres „sauberen Zweitakters“ für kleine Freizeitboote.
Quelle: Berliner Zeitung